Über den Verein für Psychosozialbildung

Psychosozialbildung – Was für ein sperriger Begriff. Aber nach deutscher Sprachlehre einwandfrei. Der Begriff trifft ziemlich präzise das, was dahintersteht, nämlich Bildung über die Psyche in sozialen Kontexten. Gut, dass das geklärt ist. Oder nicht? Nur, weil man nach den Regeln der Grammatik die Bestandteile zusammengesetzter Substantive identifizieren kann, bedeutet das nicht zwingend, dass man dadurch die totale Erleuchtung erfährt. Denn die Summe der Einzelbestandteile bleibt meist hinter dem zurück, was ihre Zusammensetzung ausmacht. Okay deutsche Sprache, auch das schaffst Du eloquent: Mit vielen Worten nichts zu sagen. Ich will nicht länger um den Brei herumreden – ich weiß auch nicht so genau, was Psychosozialbildung bedeutet.

Aber das will ich rausfinden und das Wort mit Leben füllen.

Nachdem meine Schwester Lotti im Sommer 2019 verstarb, wurde mir im Laufe des Trauerprozesses klar, dass sie Vorstellungen davon hatte, wie die Welt ein wenig besser würde. Missstände, die ihren Weg kreuzten hatte sie schnell festgenagelt und angeprangert. Dabei handelte es sich in erster Linie um Themen rund um psychische Erkrankungen, das damit verbundene mediale und gesellschaftliche Stigma, und die damit zusammenhängende Tabuisierung. Sie half vielen, die sich nicht selber helfen konnten, klärte auf, kämpfte. Das tat sie in ihrem Lebenskosmos immer dort, wo sie war und wo es sich aufdrängte.

Nach ihrem Tod fühlte ich mich dazu berufen, ihr Anliegen aufzugreifen und weiterzuführen. Ich hätte das natürlich schon gerne mit Lotti gemeinsam zu ihren Lebzeiten getan, denn sie wäre die beste Partnerin für dieses Vorhaben. Nun tue ich das alleine, und doch mit Lotti. Das ausgerufene Ziel ist die Institutionalisierung von Lottis Anliegen, aber ganzheitlicher.

Fachleute auf einer Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention sagten mir im Herbst 2019, dass das laienhafte Wirrwarr, das ich unbeholfen versuchte zu artikulieren, unter den Begriff der psychosozialen Bildung zu fassen sei. Seitdem muss ich nicht mehr jedes Mal das Wirrwarr wiedergeben, wenn ich gefragt werde, was das Ziel sei, sondern sage entschieden: »psychosoziale Bildung«. Aha, und was ist das? Zurück zum Wirrwarr.

Psychosozialbildung meint die Bildung, also vor allem die Vermittlung von Fähigkeiten, die Menschen benötigen, um verschiedene Lebenssituationen zu bewältigen, also Lebensbewältigungsstrategien. Dazu gehört auch die Förderung von Selbstkompetenzen und von Resilienz, also der inneren Widerstandsfähigkeit. Der Mensch soll mit sich selbst im Kontakt sein, sich kennen, auf sich hören und sich gut behandeln. Es geht darum, die Grundlage für alles andere im Leben zu schaffen. Oder besser gesagt, die eigentlich bei jedem bestehende Grundlage nachhaltig auszubauen, zu stabilisieren. Was wie ein Infrastrukturprojekt klingt, ist genau das; denn die Psyche ist in jeder Sekunde unseres Lebens bei uns. Sie ist unsere Infrastruktur – jedenfalls ein wesentlicher Teil von ihr. Sie entscheidet nicht über das, was auf uns im Leben zukommt – vieles davon wird unsrem Einfluss entzogen und wir ohnmächtig sein – aber sie entscheidet darüber, wie wir dazu stehen, wie unsere Gedanken dazu sind, ob wir aufstehen.

Das Projekt soll obengenannte Anliegen in positiver Weise verfolgen. Deswegen sollen Fähigkeiten vermittelt werden, die in schwierigen Lebenssituationen weiterhelfen. Das kann man ruhig unter dem Dogma der »Hilfe zur Selbsthilfe« verorten. Die Effekte psychischer Gesundheit sind weitreichend: Sie ist nicht nur offensichtlicher Garant für geringere Suizidzahlen, sondern leistet nebenher Generalprävention, etwa indem das Risiko, an Krebs zu erkranken erheblich gesenkt wird, ebenso wie für viele weitere somatische Erkrankungen.

Langfristig soll eine Stiftung diese Arbeit betreiben. Da man derzeit 50.000 EUR bis 100.000 EUR zur Ausstattung des Stiftungsvermögens benötigt, wird zunächst ein Verein gegründet, der mit der Öffentlichkeitsarbeit und der Umsetzung einiger Ziele bereits beginnen und dabei die Errichtung der Stiftung ideell und organisatorisch vorbereiten soll. Nach Errichtung der Stiftung wird der Verein in einen Förderverein der Stiftung umgewandelt und bleibt weiter bestehen. Die Satzungen sind geschrieben, das Finanzamt hat vorläufig bestätigt, dass das Gemeinnützigkeitsrecht eingehalten wird und die Gründungsmitglieder sind in den Startlöchern. Sobald die Coronakrise es zulässt, wird der Verein gegründet.

Lotti und ich würden uns darüber freuen, wenn Ihr das Projekt als Beobachter begleitet oder noch besser, daran mitwirkt. Erzählt immer gerne davon weiter, sollte sich eine Gelegenheit dafür ergeben. Wir suchen natürlich besonders hilfsbereite Fachleute und Menschen aus der Öffentlichkeit, in erster Linie aber Interessierte.

Wer interessiert ist, kann sich gerne die Website ansehen und sich dort für den monatlichen Newsletter anmelden. Sobald wir gegründet sind, werden natürlich auch Spenden und Mitglieder gesucht.

 

Gedanken geteilt von Daniel