Das Grab meiner Mutter besuchen…

»Ich hasse Friedhöfe. Muss ich trotzdem zum Grab meiner­ Mutter gehen? Oder reicht es, ihrer von zu Hause aus zu gedenken?« Julia S., Braunschweig

Über diese Frage bin ich heute gestolpert, als ich das Magazin der Süddeutschen Zeitung überflogen habe. Die Worte ließen mich innehalten, weil ich sie mir selbst schon endlos oft gestellt habe. Auch meine Mutter lebt nicht mehr. Sie wurde auf dem Friedhof in meiner Heimatstadt begraben. Ich habe bereits vor ihrem Tod nicht mehr dort gelebt, bin aber immer regelmäßig zu Besuch zurückgekehrt. Ich habe das gerne gemacht, weil ich mich auf ein paar gemeinsame Stunden gefreut habe. Heute steige ich lange nicht mehr so oft in den Zug in Richtung Heimat. Ein Besuch dort bedeutet auch immer ein Besuch auf dem Friedhof. Für lange Zeit nach ihrem Tod habe ich das als eine Pflicht betrachtet. Mit einem mulmigen Gefühl und nicht selten mit komplett leerem Kopf stand ich an ihrem Grab, ohne die starke Bindung zu spüren, die früher zwischen uns bestand. Meine Besuche wurden mit der Zeit weniger. Ich hatte nicht das Gefühl, dass auf dem Friedhof zu sein auch gleichzeitig bedeutet, bei ihr zu sein. Es gibt täglich so viele Momente, ganz unabhängig von dem Ort, an denen ich an meine Mutter denke. Es hat mich irritiert, dass ich das ausgerechnet auf dem Friedhof nicht spüre.

Erst vor kurzem habe ich wieder das Bedürfnis verspürt ihr Grab zu besuchen. Ich bin in den Zug gestiegen und wenige Stunden später stand ich auf dem Friedhof. Es fühlte sich anders an, als die vielen Male zuvor. Ich habe den Ort nicht aus Pflichtgefühl aufgesucht, sondern aus eigenem Wunsch. Und tatsächlich konnte ich ihr viel erzählen. Wann ich das nächste Mal wieder auf den Friedhof gehe, das weiß ich nicht. Der Tag kommt bestimmt, aber in meinem Tempo. Und bis dahin denke ich trotzdem jeden Tag an sie.

Möchtest du wissen, was die Autorin Johanna Adorján auf die Frage antwortete? Hier geht es zum Artikel.

 

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